Schamanismus

HANDBUCH ORIENTIERUNG: Religionen, Kirchen, Sekten, Weltanschauungen, Esoterik.Der Schamanismus ist keine Religion, sondern ein Geisterkult. Schamanismus beruht auf der Erfahrung, dass von Geistern in Besitz genommene Menschen paranormale Erkenntnisse und Fähigkeiten zeigen und in ekstatischen Zuständen (Trance) Geister in ihren Dienst zu stellen vermögen. In heidnischen Kulturen nehmen Schamanen (Männer und Frauen) von der Frühzeit an als Mittler zwischen Menschen und Geistern eine zentrale Stellung ein. Sie haben vor allem die Aufgabe, Krankheiten zu heilen, die — so ihre Überzeugung - von bösen Geistern bewirkt worden sind, nachdem sie die Seele des Patienten in Besitz genommen haben. Schamanen versuchen als "Geistheiler" die Seele des Kranken in den Körper zurückzuführen — durch Verhandeln mit den Geistern, durch List und Versprechen von Opfergaben, oder die Krankheitsgeister aus dem Körper zu vertreiben und zu bannen.

Schamanen werden "berufen" und "eingeweiht": In der Regel zeigt sich schon in der Kindheit, ob jemand zum Schamanen berufen ist. Er leidet unter der sog. Schamanenkrankheit: Fieberanfälle, ekstatisches Tanzen bis zur Erschöpfung, Visionen von Quälgeistern in Tiergestalt, unartikulierte Schreie und andere Merkmale bzw. Symptome, wie sie auch bei Besessenen beobachtet werden. In tiefer Bewusstlosigkeit (Trance), Bewegungslosigkeit oder Starre erlebt der Berufene seine Entführung in die Unterwelt, wo sein Körper in grausamster Weise zerstückelt, neu zusammengesetzt und mit "neuen Augen" ausgestattet wird. Der Schamane vermag mehr und anders zu sehen als der gewöhnliche Mensch. Sobald der Berufene erwacht, folgt eine mehrjährige Ausbildung bei einem erfahrenen Schamanen und durch Geister, die sich als "Herren" von Pflanzen und Tieren vorstellen und die Unterscheidung verschiedener Krankheitsgeister, d.h. Diagnose- und Heilverfahren lehren. Bei der Einweihung (Initiation) geschehen die Übertragung der Heilkraft und anderer paranormaler Fähigkeiten und die "Possession", die Inbesitznahme des Schamanen durch seinen "Schutz-oder Heilgeist", der sich eines oder mehrerer Hilfsgeister bedienen kann. Nach der Initiation wird der Schamane als Doppelnatur verehrt und geachtet, halb Mensch, halb Geist und ausgestattet mit Fähigkeiten, wie sie bei Besessenen beobachtet werden: Hellsehen, Vorausschau und Rückschau in die Vergangenheit, Telepathie, Visionen, übermenschliche Kräfte und wunderbare Heilfähigkeit

Schamanen beherrschen die "kontrollierte Ekstase", d.h. sie können die Trance herbeiführen und auch beenden.

Hilfen zur Auslösung sind :

In Seancen, den Heilungsritualen, tragen Schamanen die Tracht und Maske ihres "Schutzgeistes", entweder ein Elch-, Hirsch- oder Ren-Kostüm mit Geweihstangen als Kopfaufsatz oder ein Vogelkostüm mit Federn, langen Stoff- oder Lederstreifen und klirrenden Glasperlen am Schuhwerk. Augenzeugen berichten übereinstimmend, dass sie die Seancen als beklemmend, düster, unheimlich erlebt haben und die Schamanen als gequälte, ernste, leidende, versklavte Menschen, in ständigen Erschöpfungszuständen, hager, introvertiert und ausgesprochen finster.

Der Schamanismus wird hauptsächlich in Nord- und Zentral-Asien, Nord- und Südamerika, Ozeanien, Australien und Afrika praktiziert - mit zahlreichen lokalen Modifikationen. In Deutschland wird er seit den 1980er Jahren von esoterischen Heilern als Diagnose- und Heilverfahren angewandt - mit wachsender Bedeutung. Die Zahl schamanischer Zirkel ist kaum noch zu überschauen.

S. auch: Schamanische Heilverfahren. Zur Beurteilung s. Okkultismus; Spiritismus; Esoterische Medizin.

Lit.: R. Franzke, Was ist Schamanismus?, 1998.

Adelgunde Mertensacker


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