Lorberianer

HANDBUCH ORIENTIERUNG: Religionen, Kirchen, Sekten, Weltanschauungen, Esoterik.

Bei den Lorberianer handelt es sich um die Anhänger des österreichischen Musikers Jakob Lorber (1800-1864).

Er meinte, neue, über die Bibel hinausgehende, Offenbarungen erhalten zu haben, die er in Gottes Auftrag in 25 -30 Büchern mit insgesamt etwa 10 000-12 000 Manuskriptseiten, niederschrieb (Neuoffenbarung). Lorber verstand sich selbst als "Schreibknecht Gottes". Seine Anhänger sehen in Lorber einen Propheten. Das organisatorische Band der Lorberianer ist die 1949 gegründete Lorber-Gesellschaft mit heutigem Sitz in Hausham/Oberbayern. Ihr Vorsitzender ist Manfred Peis. Die Lorber-Gesellschaft versteht sich als Neugründung der 1937 durch die Nationalsozialisten aufgelösten Neu-Salem-Gesellschaft (auch Neu-Lichtfreunde genannt).

Die Lorber-Gesellschaft e.V. versteht sich nicht als Kirche, sondern als offener Bund der Anhänger der Offenbarungen Lorbers. Seit 1921 gehörte dem Dachverband der Lorberianer der Lorber-Verlag, der sich 1980 mit seinem Verleger Friedrich Zluhan von der Lorber-Gesellschaft trennte, an. Ursprünglicher Sitz der Gesellschaft und des Lorber-Verlags war Bietigheim bei Stuttgart, wo heute noch der Lorber-Verlag unter dem Namen Friedrich Zluhan Verlagsgemeinschaft, residiert. 1987 bildete sich im Umkreis des Lorber-Verlages das "Jakob-Lorber-Förderungswerk", das die Verbreitung der Literatur des Lorber-Verlages unterstützt. Seine Hauptaufgabe sieht der Bietigheimer Verlag darin, die Bücher Lorbers zu drucken und damit dessen Gedanken zu verbreiten. Diesem Zweck dient auch die Verlagszeitschrift "Das Wort", die eine Auflage von etwa 2000 Exemplaren hat. Auf den Wellen des Booms esoterischer Literatur am Ende des 20. Jahrhunderts entwickelte der Verlag erhebliche Aktivitäten. 1997 versandte der Lorber-Verlag nach eigenen Angaben den Lorber-Prospekt "Die Neuoffenbarung Jesu durch Jakob Lorber - Christliche Prophetie für unsere Zeit" an 44 000 Adressen.

Im gleichen Jahr erschienen 22 Neuübersetzungen der Schriften Lorbers, u.a. in

Eine gewisse Rolle bei der internationalen Verbreitung der Schriften Lorbers spielte auch der "Weltbund freier Christen", der 1934 von den NS verboten wurde und sich nach dem 2. Weltkrieg für kurze Zeit wieder belebte.

Jakob Lorber wurde am 22.7.1800 in Kanischa, Südsteiermark (Österreich), heute Slowenien geboren. Er starb am 24.8.1864 im Graz (Österreich). Er kam aus kleinen Verhältnissen und blieb lebenslang vergleichsweise arm. Er war der Sohn des Kleinbauern und Wandermusikers Michael Lorber und dessen Frau Maria, geb. Tautscher. Er erlernte den Beruf eines Hauptschullehrers, in dem er allerdings, mit Ausnahme einer Zeit als Hauslehrer in Graz, nie eine längere Anstellung fand. Aufgrund seiner musikalischen Fähigkeiten wurde er privater Musiklehrer und Komponist. Er organisierte Konzerte und wirkte darin auch durch seine Kompositionen und als Solist (Harfe, Violine) mit. In verschiedenen kleinen Zeitschriften veröffentliche er Berichte über musikalische Veranstaltungen.

Die Lorberianer meinen, dass erst durch die Neuoffenbarungen Lorbers die volle Erkenntnis Gottes, seines Heilsplans und des Lichtes des Evangeliums zugänglich wurde. 1840, als sich für Lorber erstmalig eine gesicherte berufliche Perspektive abzeichnete (ihm war die Stelle eines 2. Kapellmeisters in Trient angeboten) bekam er seine ersten Offenbarungen. Lorber berichtete davon, dass er am 15. März 1840, um 6 Uhr morgens, eine Stimme "links in der Brust, an der Stelle wo sich das Herz befindet" vernahm, die ihm zurief: "Steh` auf, nimm deinen Griffel und schreibe!" Durch diese "innere Stimme" bekam Lorber in den nächsten 24 Jahren Bücher, die 30 Bände mit ca. 12.000 Druckseiten umfassen, offenbart.

Sie sind unter den Namen

gedruckt worden.

Als Hauptschrift Lorbers gilt "Das große Evangelium Johannes" (1851 bis 1864). Zu den ersten Anhängern Lorbers gehörten seine Freunde, der Schriftsteller und städtische Beamte Karl Gottfried Ritter von Leitner (sein später Biograph) und der Bruder des Grazer Bürgermeisters, der Komponist Anselm Hüttenbrenner, die nach anfänglichen Zweifeln von der Echtheit der Offenbarungen Lorbers überzeugt waren. Der Offizier und spätere Landschaftsmaler Gottfried Mayerhofer (1807-1877) und Johann Wittmann (gest.1940), sowie Otto Zluhan, der Verlagsgründer, brachten Lorbers Gedanken in eine weitere Öffentlichkeit. Auch sie berichten über persönliche Offenbarungen.

Die Offenbarungen Lorbers beinhalten Aussagen über die Jugend und das Leben Jesu, geben Erklärungen über Zusammenhänge und Rätsel des Kosmos, der Geschichte, des menschlichen Schicksals, des Jenseits, der  Engel- und der Geisterwelt. Das Universum bildet, nach Lorber, mit seinen Sternenheeren die Gestalt des "großen Schöpfungsmenschen". Es besteht aus den Urgeistern, die unter Luzifers Führung fielen und zu Materie (u.a. in Gestalt der heutigen Menschen)  erstarrten. Die Erlösung der gefallenen Wesen ist der Sinn des Heilsplanes. Der Ort der Erlösung ist die Erde und hier wiederum das Innere des Menschen. Die Erlösung geschieht durch ein inneres Wachstum, eine Art geistige Aufwärtsentwicklung. Durch Befolgung des Doppelgebotes der Liebe (Mt 22,37-39) soll der Mensch die "geistige Wiedergeburt" erlangen. Er vervollkommnet sich dann zum Engel (Geistwesen) und ist am göttlichen Erlösungswerk beteiligt. Damit der Mensch den unendlichen Gott begreifen und lieben kann, hat sich dieser in das Fleisch Jesu gehüllt. Gott und Jesus sind verschiedene Offenbarungsstufen des Schöpfergottes. Über die stufenweise Höherentwicklung wird der Mensch erlöst. Wer sich der Vervollkommnung verschließt, wird als Strafe mehrere Reinkarnation en (irdische Wiedergeburten), durchmachen, bis auch er vervollkommnet ist. Eine ewige Verdammnis wird abgelehnt (>Allversöhnung). Nach Meinung der Lorberianer stehen wir heute am Ende der Weltzeit. Nach einem noch ausstehenden 1000jährigen Reich wird dann Gottes ewiges Friedensreich anbrechen. In Jakob Lorber sehen seine Anhänger die Erfüllung von Johannes 16, 7.14.

1997 erschien im Lorber-Verlag eine Auseinandersetzung mit dem reformatorischen Prinzip des "Sola scriptura". Diese Schrift von Ralf Schuchardt hat den Titel "Allein die Bibel? Die Widerlegung einer christlichen Legende". Er erhebt den Anspruch: "Neben Jakob Böhme und Emanuel Swedenborg ist es vor allem Jakob Lorber, durch den sich der Geist Christi in einer bisher nie dagewesenen Fülle kundgetan hat. Auch die Kirchen können heute nicht mehr darüber hinwegsehen, dass sich in der monumentalen Prophetie Jakob Lorbers, die voll und ganz auf dem Boden des biblischen Wortes steht, die johanneischen Verheissungen Jesu, über die künftige Wiederoffenbarung seiner Heilslehre, im Vollmaß erfüllt haben" (ebd., 10).

Aufgrund von Anspruch, Inhalt und Form der Offenbarungen müssen wir Lorber mit Sektengründern wie Joseph Smith (1805-1844), dem Gründer der Mormonen, oder Josef Weisenberg (1855-1941), dem Gründer der Sekte der >Johannischen Kirche, gleichsetzen. Neue, über die Heilige Schrift hinausgehende Offenbarungen widersprechen, nach reformatorischer Sicht, dem biblischen Selbstanspruch (Offb 22,19). Lorbers Reinkarnation slehre bringt ihn in geistige Nähe zu fernöstlichen religiösen Erlösungslehren, die in der heutigen >Esoterik verkündet werden. Auch erinnert die Kosmologie Lorbers an gnostische Sekten. Lorbers menschliche Selbsterlösungslehre schließt das Hauptstück der Reformation, die Rechtfertigungslehre, aus. Die empfangenen Offenbarungen erinnern uns an ähnliche Phänomene im okkulten Bereich. Lorber scheint ein Schreibmedium gewesen zu sein (>Automatisches Schreiben).

S. auch: >Offenbarung; Neuoffenbarung; Spiritismus.

Lit.: Jakob Lorber. Lebensbeschreibung von Karl Gottfried Ritter von Leitner (1884), 5. Aufl. 1969. - Kritisch: K. Hutten, Seher - Grübler - Enthusiasten, 1997, 583ff.

Rainer Wagner


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