Konziliarer Prozess für Gerechtigkeit,
Frieden und Bewahrung der Schöpfung

HANDBUCH ORIENTIERUNG: Religionen, Kirchen, Sekten, Weltanschauungen, Esoterik.

Auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Düsseldorf im Juni 1985 wurde folgender Aufruf verabschiedet:

"Wir bitten die Kirchen der Welt, ein Konzil des Friedens zu berufen. Der Friede ist heute Bedingung des Überlebens der Menschheit. Er ist nicht gesichert. Auf einem ökumenischen Konzil, das um des Friedens willen berufen wird, müssen die christlichen Kirchen in gemeinsamer Verantwortung ein Wort sagen, das die Menschheit nicht überhören kann. Die Zeit drängt. Wir bitten die Kirchenleitungen, alles zu tun, damit das Konzil so rasch wie möglich zusammentritt. Wir bitten die Gemeinden, dem Aufruf zu einem Konzil durch ihre ausdrückliche Unterstützung Kraft zu verleihen."

Der Verfasser dieses Aufrufs, Carl Friedrich von Weizsäcker, schreibt hierzu in seinem programmatischen Buch mit dem Titel "Die Zeit drängt":

"In bezug auf die drei Bereiche (Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung; L. G.) ist eine Einigung der Christen und eine Übereinstimmung der Weltreligionen möglich und geboten. Eine weltweite politisch wirksame Rechtsordnung ist zu fordern" (S. 114).

Solche und ähnliche Aussagen mögen auf den ersten Blick faszinierend erscheinen. Und doch entpuppen sie sich bei näherem Hinsehen als höchst problematisch. Ihre Problematik lässt sich im wesentlichen in drei Punkte fassen:

1. Biblische Aussagen werden verdiesseitigt.

Sie werden ihres eigentlichen, übernatürlichen Inhaltes beraubt, und ein neuer, innerweltlicher, rein politischer Sinn wird ihnen übergestülpt. Der Friede der Welt wird plötzlich so wichtig, dass der Friede mit Gott ganz oder weitgehend aus dem Blickfeld gerät (Friede). Das Vorletzte wird zum Letzten erklärt, doch dabei geht das Letzte verloren. Von "Gott" wird zwar noch geredet, jedoch (soweit er überhaupt noch als persönlicher Gott gesehen wird) kommt ihm kaum mehr als die Rolle eines "Zuschauers" bei den menschlichen Friedensbemühungen zu. So wird nach von Weizsäckers Ansicht das Reich des Friedens nicht vom wiederkommenden Herrn Jesus Christus im Tausendjährigen Reich und dann vollends in einem neuen Himmel und einer neuen Erde errichtet, sondern hier auf dieser alten Erde von einer vereinigten Menschheit selbst aufgebaut. Von Weizsäcker schreibt:

"Die Menschen beginnen, die Überwindung der Institution des Krieges nicht als jenseitige Hoffnung, sondern als diesseitige, aktuelle und lösbare Aufgabe zu empfinden" (S. 38).

Apokalyptik sei "die Hoffnung auf ein verändertes Diesseits" (S. 68). Friede, der "bisher [!] als eine eschatologische Hoffnung jenseits der realen Menschheitsgeschichte zu liegen schien", werde heute "zur realen Bedingung des Überlebens der Menschheit" (S. 77). Lapidar stellt von Weizsäcker fest:

"Die Hoffnung, der Gekreuzigte, Auferstandene, zur Rechten Gottes sitzende Christus werde sichtbar als Richter des Erdkreises wiederkommen, hat sich in zweitausend Jahren nicht erfüllt" (S. 69).

Und da von Weizsäcker offensichtlich auch in der nächsten Zeit nicht damit rechnet, ruft er die Menschheit selbst zum Handeln auf: Die Schaffung des Weltfriedens fordere

"eine außerordentliche moralische Anstrengung" (S. 45).

Diese moralische Anstrengung sei "die Anstrengung des Bewusstseinswandels". Von Weizsäcker ist davon überzeugt, dass dieser Bewusstseinswandel "im Rahmen der menschlichen Natur und der menschlichen Gesellschaft möglich ist" (S. 48). Denn "Krieg als Institution, soziale Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung" folgen nach seiner Ansicht "nicht aus einer unabänderlichen Natur des Menschen". Sie seien vielmehr "Folgen der bisherigen Geschichte der Hochkultur". Zu ihrer Überwindung komme es daher "auf den Willen" des Menschen an. Der Wille freilich sei "notwendig, aber nicht hinreichend". "Gnade" stehe uns bei (S. 59). Was von Weizsäcker hier tut, ist nichts anderes, als die Sünde des Menschen und das Erlösungswerk Jesu Christi zu leugnen. Auch wenn von einer — nicht näher definierten - "Gnade" die Rede ist, so liegt der Akzent doch ganz eindeutig auf dem Handeln des Menschen. Der Mensch soll durch seine "moralische Anstrengung" das vollbringen, was man von Gott nicht mehr — oder zumindest nicht mehr rechtzeitig - erwartet. Daher auch der Buchtitel "Die Zeit drängt"!

2.Die christliche Wahrheit wird verwässert:

An dem Absolutheitsanspruch Jesu Christi (vgl. Joh 14,6; Apg 4,12; 1 Kor 3,11 u. a.) haben sich viele gestoßen, auch die Initiatoren des "Friedenskonzils". Man will nichts mehr davon hören, dass Jesus Christus beansprucht, die Wahrheit in Person und der einzige Weg zu Gott dem Vater zu sein. Nein, um des politischen Friedens willen ist man der Ansicht, die Einheit der Menschen der christlichen Wahrheit überordnen zu müssen. Konkret heisst das: Die Grenzen zwischen den verschiedenen Religionen sollen fallen. Jesus soll nur noch als ein Religionsstifter unter vielen gelten, aber nicht als Gottes einziger Sohn und Erlöser. Sein Absolutheitsanspruch soll der erstrebten Vereinigung der Menschheit und dem daraus erhofften Weltfrieden nicht im Wege stehen. So kennt auch C. F. von Weizsäcker keine absolute Wahrheit, sondern nur eine "gemeinsame Wahrheitssuche" (S. 18).

#Die gleiche Tendenz finden wir in der Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vom 25. Juli 1986 zum Friedenskonzil, wo es heisst:

"Die Orientierung an der Wahrheit und die Frage nach der Möglichkeit breiter Zustimmung müssen sich gegenseitig kritisch ergänzen."

Wo die "Wahrheit Gottes" jedoch an einen Prozess mit der "Möglichkeit breiter Zustimmung" gebunden wird, liegt die Norm für ihre Richtigkeit und Gültigkeit nicht mehr in ihr selber (und damit bei Gott), sondern in den subjektiven Meinungen der Menschen, die am Prozess der "Wahrheitsfindung" beteiligt sind. Eine solche "relative Wahrheit" entspricht zwar dem Modell eines herrschaftsfreien Diskurses des >Neomarxisten Jürgen >Habermas, der Wahrheit in fortlaufender Diskussion finden will. Sie steht aber in grundlegendem Gegensatz zur "absoluten Wahrheit", die von Gott im biblischen Wort geoffenbart (Joh 17,17) und in Jesus Christus Mensch geworden ist.Wohin die Verwässerung der christlichen Wahrheit führt, das zeigen die weiteren Ausführungen C. F. von Weizsäckers deutlich. Um Frieden zu erreichen, so schreibt er, sei "eine Versöhnung theologischer Überzeugungen, die früher mit gutem Grund [!] unversöhnlich sein mussten" notwendig (S. 77). Die geplanten Weltversammlungen sollten sich "ausdrücklich davon fernhalten, Häresien [Irrlehren] identifizieren zu wollen".

Sie sollten "kommunizieren, nicht exkommunizieren", also sich austauschen, aber niemanden ausgrenzen (S. 111). Dieses "Kommunizieren" solle als nächste Stufe ausdrücklich auch die nichtchristlichen Weltreligionen einbeziehen. Von Weizsäcker schreibt wörtlich:

"Eine hochwichtige Folge wäre ein Konzil der Weltreligionen. Selbstverständlich sollen diese schon an der ersten Versammlung willkommene Gäste sein" (S. 112).

Aufgrund solcher Äußerungen verwundert es nicht, dass von Weizsäcker das sogenannte Friedensgebet der Religionen in Assisi freudig begrüßt (S. 12. 109). Aber nicht nur er, sondern auch der Rat der EKD äußert sich in seiner Stellungnahme vom Jahre 1986 positiv dazu. Der Rat der EKD schreibt:

"Für den 27. Oktober dieses Jahres hat Papst Johannes Paul II. Vertreter der Weltreligionen zu einem gemeinsamen Friedensgebet nach Assisi eingeladen. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat diesen Vorschlag begrüßt und versteht ihn als ein Zeichen des gemeinsamen Eintretens aller Christen für Gerechtigkeit und Frieden."

Papst Johannes Paul II. selbst sagte in seiner Schlussansprache zu diesem Friedensgebetstag: "Die Herausforderung des Friedens, wie sie sich gegenwärtig jedem menschlichen Gewissen stellt, übersteigt die religiösen Differenzen."

3.Der Friede mit Gott geht verloren:

Die Bemühungen des Konziliaren Prozesses um den Frieden der Welt führen in gerader Linie zum Verlust des Friedens mit Gott. Im biblischen Sinn ist "Frieden" zuerst und vor allem Frieden mit Gott als dem persönlichen, jenseitigen Schöpfer der Welt. Dieser Frieden wurde durch das stellvertretende Sühneopfer Jesu Christi am Kreuz ermöglicht und strahlt im Handeln des gläubigen Christen auf die Welt aus. Frieden mit Gott schließt das Ernstnehmen seines Willens und seiner Gebote ein.

In Jesaja 48 lesen wir:

"O dass du auf meine Gebote merktest, so würde dein Friede sein wie ein Wasserstrom und deine Gerechtigkeit wie Meereswellen" (Jes 48,18).

Wer jedoch nicht nur irgendein Gebot, sondern sogar das grundlegende erste Gebot übertritt, der kann keinesfalls mit Gottes Frieden rechnen. Und er kann, weil Gott ja der Herr der Welt und der Garant allen Friedens ist, auch nicht mit einem dauerhaften irdischen Frieden rechnen, höchstens mit einem kurzlebigen Scheinfrieden. In der gesamten biblischen Heilsgeschichte wird deutlich, dass das Volk Gottes den wahren Frieden mit seinem Herrn immer dann verloren hat, wenn es meinte, mit Vertretern heidnischer Religionen paktieren zu müssen. So findet sich in Jeremia 2 die Klage Gottes über sein untreues Volk:

"Was haben doch eure Väter Unrechtes an mir gefunden, dass sie von mir wichen und den nichtigen Götzen anhingen und so zunichte wurden und niemals dachten: Wo ist der HERR, der uns aus Ägyptenland führte? ... Mein Volk hat seine Herrlichkeit eingetauscht gegen einen Götzen, der nicht helfen kann! Entsetze dich, Himmel, darüber, erschrick und erbebe gar sehr, spricht der HERR. Denn mein Volk tut eine zweifache Sünde: mich, die lebendige Quelle, verlassen sie und machen sich Zisternen, die doch rissig sind und kein Wasser geben" (Jer 2,5 f. 11-13).

4.Fazit:

Diese Zusammenhänge kann allein derjenige erkennen, der die Dinge nicht nur von einem äußerlichen, politischen Standpunkt aus betrachtet, sondern der sie "geistlich" ansieht (vgl. 1. Kor 2,13). Und dieser geistlichen, biblischen Betrachtungsweise erschließen sich erschütternde Parallelen zwischen dem Welteinheits- und Weltfriedensreich des Antichristen, das uns in Offb 13 und 17 vorausgesagt ist, und den immer noch weiterlaufenden Bemühungen im Konziliaren Prozess. Ich behaupte nicht, dass beides identisch ist, aber es ist doch zu beobachten, dass der Konziliare Prozess in diese Richtung zielt und eine Wegbereiterfunktion ausübt. Denn da wird plötzlich klar, dass es nur sehr vordergründig um den äusseren Frieden, in Wirklichkeit jedoch um etwas ganz anderes geht: nämlich um die Zusammenführung der Religionen und die Bestreitung des Absolutheitsanspruches Jesu Christi.

S. auch: Ökumene der Religionen; Neue Weltordnung; New Age; >Wahrheit; Toleranz; Friede.

Lit.: C. F. von Weizsäcker, Die Zeit drängt, 1986. - Kritisch: L. Gassmann, Ein Konzil für den Frieden?, 1989; ders., Frieden in Gerechtigkeit durch Welteinheit?, 1989; ders., Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Wohin führt der Konziliare Prozess?, 1999

Lothar Gassmann


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