Häresie

HANDBUCH ORIENTIERUNG: Religionen, Kirchen, Sekten, Weltanschauungen, Esoterik.Häresie kommt vom griechischen "heiresis" und bedeutet "Richtung", "Partei".

Oft wird es im Sinne von "Abspaltung" gebraucht. Die etymologische Wurzel ist "heireo" (Aktivform) bzw. "heireomai" (Mediumform) und bedeutet "nehmen, gewinnen, ergreifen" (Aktiv) oder "wählen, erwählen" (Medium). Die Mediumform kommt im Neuen Testament vor im Sinne von: "eine bestimmte Richtung erwählen", "sich einer Schul- oder Lehrrichtung anschließen".

Schon im Hellenismus erwählte man sich eine Schulrichtung, die dann zur "heiresis" wurde. Durch diese Erwählung einer bestimmten Schule und Lehre kam es zur Sammlung innerhalb oder außerhalb einer umfassenden Gemeinschaft und damit auch zur Abgrenzung gegenüber anderen Schulen und deren Lehrrichtung. Auch im rabbinischen Judentum gab es Gruppen, die als häretische Parteiungen betrachtet wurden. Das hebräische Wort hierfür lautet "min". Während "min" sich viele Jahrhunderte auf innerjüdische Abweichungen von der rabbinisch-orthodoxen Tradition bezog, wurde es seit dem 2. Jahrhundert nach Christus verstärkt auf Andersgläubige außerhalb des rabbinischen Judentums angewendet, etwa auf (Heiden-)Christen und Gnostiker.

Im Neuen Testament kommt der Begriff der "heiresis" auch vor, und zwar in Bezug auf die "heiresis" der Pharisäer (Apg 15,5) und Sadduzäer (Apg 5,17), aber auch im Hinblick auf die junge Christengemeinde, so etwa in Apg 24,5, wo von der "heiresis" der Nazoräer die Rede ist. Als dann die frühchristliche "ekklesia", die Gemeinde, sich ausbildete, wurde der Begriff "heiresis" für Strömungen verwendet, die die "ekklesia" zu spalten versuchten oder im Gegensatz zu ihr standen. In Gal 5,20 werden "heireseis" ("Spaltungen") unter den "Werken des Fleisches" aufgelistet. Auch in 1. Kor 1,10 ist von "Spaltungen" die Rede, doch steht hier im Griechischen der Begriff "schismata" (Schisma). Häresie steht heute für >Irrlehre und kennzeichnet insbesondere das Wesen der Sekte n (zur Beurteilung siehe dort).

Lit.: L. Gassmann, Was sind Sekten - und was nicht?, 1998.

Lothar Gassmann


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